Cambridge und der Regen

Der Morgen begrüßt uns mit Sonnenschein, wir schälen uns aus dem Zelt und fühlen uns ein wenig gerädert, die Autobahn war doch recht laut um gut zu schlafen. Wir wundern uns, dass es keine ruhigen Phasen gab – scheinbar wird im guten Britannien immer Auto gefahren, links versteht sich, klar.

Wir müssen feststellen, dass wir die ersten Wehwehchen spüren, es ziept an der einen und an der anderen Stelle. Werden wir etwa alt? Wir fahren los, und da zeigen sich die ersten Ermüdungserscheinungen noch deutlicher. Ein wenig enttäuscht sind wir schon und hätten gedacht wir sind robuster. Nach etwas mehr als 10 km in wunderschön sonniger Umgebung und durch alte romantische Dörfer und vorbei an kleinen Cottages geben wir unseren Zieperlein nach und beschließen nur nach Cambridge zu fahren und dort ein wenig zu entspannen. Die Gegend ist hier kaum hügelig, die Beschilderung ist ausnahmsweise lückenlos und so schaffen wir die 40 km locker bis zum Mittag und erreichen Cambridge.

Da wir von Natur aus sehr blauäugig sind, haben wir den witzigen Gedanken hier für günstig Geld ein Bed and Breakfast zu finden und uns danach die Stadt anzuschauen. Die Preise sind horrende. 90-150£ pro Nacht und die guten Adressen in der Innenstadt haben wir nach den ersten Erfahrungen schon ausgelassen. Nach der 5. Unterkunft, die uns mit der Auskunft über die Preise in die Realität zurückholt, steuern wir dann doch lieber den Campingplatz ein kleines Stück außerhalb in Cherry Hinton an. Das stellt sich als eine sehr gute Wahl heraus. Idyllisch und sauber.

Der nette und redebedürftige Platzwart weist uns anhand einer schnell skizzierten Bleistiftzeichnung darauf hin, das Zelt bitte parallel und mittig zu den kleinen Säulen mit der Platznummer hinzustellen. Auf der Wiese überlegen wir kurz zu rebellieren und das Zelt schräg hinzu stellen, das ist uns dann aber zu viel Revolution auf einmal. Gott sei dank unser Nachbar wird auf seine Revolution schnell aufmerksam gemacht und muss umbauen. Sehr ärgerlich sein Zelt ist vollausgestattet. Er hat eine Küche, eine Spüle, er hat alles nur keine Bowlingbahn.

Wir packen endlich den Kocher aus, kaufen dann noch ein und machen es uns dann im Zelt gemütlich, denn es hat zu regnen angefangen und wir freuen uns über die Entscheidung nicht weitergefahren zu sein.

Am nächsten Morgen entscheiden wir spontan noch einen Tag zu bleiben. Der Wetterbericht legte es uns nahe. Allerdings bringt dies unseren (ja selbstverständlich auch blauäugigen) Plan durcheinander. Wir haben für Freitag morgen die Fähre von Harwich nach Rotterdam gebucht. Nach kurzem Überschlagen müssten wir eine Teilstrecke mit dem Zug fahren, um das zu schaffen.

Wir gehen der Empfehlung des Platzwartes nach und gehen die Straße runter zum Frühstück. Pünktlich um 9 stehe wir vor der geschlossenen Tür. Die deutschen Trottel hätten das Schild lesen sollen: Breakfast! Daily! At 10AM!

Am Mittag wollen wir die Überfahrt von Harwich nach Hook of Netherlands klären.
Der Lurchi hatte der Fährgesellschaft vor Tagen bereits eine Email geschrieben, ob wir umbuchen können, bisher ohne Antwort. Ungeduldig rufen wir an, in der Warteschleife weist man uns auf die Möglichkeit hin, online umzubuchen. Gut machen wir das. Wir versuchen auf Samstag Nacht umzubuchen, dies funktioniert nur bedingt. Eine Bestätigung vom System bleibt aus. Alle anderen Nachtfahrten scheitern an Kabinen.
Etwa eine halbe Stunde später ruft eine völlig entnervte Servicekraft an und fragt was wir den jetzt wollen! Es scheint viele kurzentschlossene wie uns zu geben. Wir buchen auf Samstag Nacht um und der Lurchi entschuldigt sich für das hin und her, wünscht ein schönes Leben und reserviert eine Kabine – sie scheint am Ende versöhnt. So fühlt man sich also als Kunde aus der Hölle.

Jetzt können wir entspannt die Stadt besichtigen. Wir lassen uns voll regnen und schlendern. Cambridge ist wirklich eine Reise wert, die Gebäude sind bombastisch. Alt und pompös gebaut oder einfach nur alt und charmant oder einfach nur alt. Leider können wir vor lauter Regen die Kameras nicht rausholen und witzeln schon, dass dass iPhone vermutlich für die ganze Reise gereicht hätte. Wir schießen damit ein paar Verlegenheitsfotos und machen uns auf den Rückweg ins Pub, wo wir gemütlich den Abend ausklingen lassen.
Es ist 18:00 Uhr und der Laden ist gut voll. Ein Tisch mit Ladies, so typisch, dass es wie Satire wirken würde, wenn man beschreiben würde, dass sie die Sätze mit immer höherer Stimme beenden. Ein Tisch voller tätowierter Stiernacken, die Wimbeldon gucken – Fußball scheint kein Thema mehr zu sein…weiß einer warum?