Cambridge nach Bury St. Edmunds – Rückkehr der Hügel

Wir verlassen Cambridge. Gestern zeigte sich die Stadt noch friedlich in Regen gehüllt, heute strahlt die Sonne. Wenn Engel reisen…. Tollstes Wetter zum Radfahrer, allerdings sind viel rücksichtslose Touristen unterwegs. Sie laufen Kreuz und quer, ignorieren die Klingel und Rufe sind auch nur schwer umzusetzen. Man muss immer ganz doll an sich selbst denken und nicht auf die anderen achten, dann klappt dass mit dem Straßenverkehr. Irgendwie sind die Touristen dann doch überall gleich gepolt.

frühe Rückkehr der ersten Hügel

Wir müssen einmal quer durch die Stadt, die übrigens natürlich hügelig ist. Der Linksverkehr ist uns mittlerweile ins Blut übergegangen: links abbiegen kleiner Bogen, rechts abbiegen großer Bogen… Dieses Mantra beschützt uns zuverlässig.
Wir suchen nach dem Einstieg auf die Cycle-Route 51 und es stellt sich als schwer heraus. Die Schilder sind klein, die Straßen sind voll und so dauert es 8 km eh wir die Route finden. Puh endlich kann es losgehen.

Nach einem vielleicht zwei Kilometern ist die Route mitten in der Stadt weg. Wir wenden alle Tricks an und fahren verschiedene Straßen ab, es ist aber nichts zu sehen. Meinte das verbogene Schild etwa doch, dass wir hätten abbiegen sollen? Wo war das doch noch mal? Zurückfahren ist keine gewünschte Option. In reinsten Cambridge-Englisch frage ich Radfahrer nach der Route. Und wir haben Glück. Ein junger Mann identifiziert mich erst als Deutschen, dann nimmt er uns mit. Er müsse eh dort entlang und würde uns zeigen, wo die Route von seiner abbiegt. Gesagt getan. 10 Minuten smalltalk später sind wir wieder auf der richtigen Strecke.

Wir werden belohnt. Ja wir haben Zeit und Strecke verloren und bei geplanten 60km werden uns die 10 km an Umweg weh tun, aber diese Strecke entpuppt sich als das bisher schönste. An einem Kanal entlang, daneben Ufer die in wunderschöne Feldlandschaften übergehen. Es ist ruhig, die Straße ist fast völlig intakt, was nicht selbstverständlich ist.

Newmarket ein Kinderspiel

Bis nach Newmarket kommen wir gut voran, 35 km und es ist gerade mal 14:00. wir beschließen Pause in einem Kaffee zu machen mit glutenfreier und veganer Nussecke gepaart mit ungläubig zuhörenden Verkäuferinnen: von Hull über Nottingham nach Köln? Mit dem Rad? Man lächelt sich an und nach einiger Zeit trennen sich die Wege.
Ich brauche Batterien, denn das Walkie-Talkie piept seit einer Stunde unaufhörlich.
In einem Elektrofachgeschäft finde ich alles was ich brauche und nebenbei versucht man mir ein Sky-Abo aufzuschwatzen. 50% Rabatt! Ne doch nicht! Es war schon ein Akt Internet in die Wohnung zu bekommen…

die Rückkehr der Hügel in die Hölle

Wir wollen noch Strecke schaffen und entschließen noch 20 Meilen draufzulegen. Bis hierher lief alles gut, also sollte das ein Kinderspiel werden. Denkste.
Direkt hinter Newmarket kam die erste Steigung des Tages. Sie zog sich und zog sich. Links liegen ließen wir eine Trainingstrapprennbahn, das dazugehörige Anwesen, von dem allein die Zufahrt in Köln als Ringe bezeichnet worden wäre, die Tore waren größer als die vom Dom und das Haus hatte ein Dienstbotenhaus größer als ein Zweifamilienhaus. Die werden wohl kein radfahren, na vielleicht um den 300m weiter hinten liegenden Privatgolfplatz zu erreichen.

Die erste Steigung läutet ein, was wir bisher schon reichlich erlebt haben, Steigungen an Steigung an Steigung. Diese hier sind kurz aber dafür sehr steil, gefolgt von einer kurzen Abfahrt mit einer steilen Kurve, sodass man die Geschwindigkeit kaum auf den Berg mitnehmen konnte. Die Beine brennen und man befindet sich schneller im ersten Gang als es der Moral lieb ist. Was wir dafür bekommen ist allerdings wunderschön. Geschwungene Felder in allen Grüntönen mit Wäldern am End, Baumreihen mittendrin Vogelschwärme die uns kurzzeitig begleiten, wie es sonst Delphine auf hoher See machen. Idyllisch, malerisch und doch unglaublich anstrengend. Der Puls brennt Höchstmarken in die Gefäße und dennoch macht es glücklich sich diesen Steigungen gestellt zu haben.

Unangenehm hilfsbereite Briten

Wir erreichen die Stadtgrenzen und suchen direkt nach einem B&B. 200m entfernt, es klingt zu schön um wahr zu sein. Leider ist kein Bett frei. Doch die Betreiber, sie 83 und er wird am Samstag 90, sind rührend. Sie zwingen mich förmlich zu warten, sie fragen rum. Sie kennen dass, schließlich waren sie früher auch Radfahrer. Eine Absage folgt der nächsten. Die erste Option ist 7 km entfernt. Und vor allem zurück. Natürlich war der letzte Teil eher eine Abfahrt… Als Notnagel ok, mehr aber nicht. Schließlich finden die beiden eine Bleibe. 1,5 km entfernt, im Zentrum, frisch renoviert. Ich umarme die gute herzliche tolle Frau, bedanke mich mehrfach und wir wünschen uns eine gute Zeit.

Endlich ein Bett. Endlich duschen. Endlich essengehen, Cider trinken und schlafen.