Tag 10 und 11 von Wittenberge über Klietz nach Brandenburg
Tag 10 von Wittenberge nach Klietz
Ein weiteres Mal geht es früh los, nachdem wir uns mit einem Frühstück gestärkt haben. Wittenberge hat Charme und viele alte mal sanierte, mal verfallene Gebäude. Das ist ein für mich recht typischer Anblick in einer Stadt in Ostdeutschland, so kenne ich die Strassenzüge und so mag ich sie auch. Es ist oftmals schade um die Häuser – Gegenüber unserer Unterkunft ist ein sehr schickes, welches wohl auf Grund von jahrelangen Erbstreitigkeiten diesen Zustand erreicht hat, so kann man den Wert einer Immobilie auch drücken, dumme Leute gibts…
Es führt uns recht direkt auf den Radweg entlang der Elbe auf einen Damm. Ich sag mal so: W.O.W!!! Ein visuelles Spektakel in grün und blau mit weissen Wolkensprenkeln. So macht Radfahrurlaub Spaß. Naja gut es könnte wärmer sein, aber aus meiner Sicht meckere ich da auf sehr hohem Niveau!
Die Strecke ist und bleibt ein Traum und fliegt nur so an uns vorbei, bis wir bei einer Schafherde Pause machen. Ein witziges Schauspiel. Sie sprechen mit uns und traben vor uns her, sind aber etwas kamerascheu. Eins der Schafe ist gerade dabei auszubüxen, wir lächeln lieb und zeigen auf die Herde, dennoch zieht es völlig unbeeindruckt von dannen – armes Schaf. Am Abend lernen wir, dass es in der Gegend Wölfe gibt…
Es verschlägt uns auf eine Bundesstraße, damit wir zu unserem nächsten Zimmer gelangen. Heute sind wir Gast auf einem Bauernhof. Alles etwas einfacher aber dafür auch wenig prätentiös. Die Gastgeber sind nicht vor Ort, aber ihr unglaublich süßer Hund und die fast so niedlichen Schwiegereltern. Die Guten sind etwas verpeilt bzw. schlecht gebrieft. Also heisst es warten bis der Chef zurückkehrt. Das dauert glücklicherweise nicht lange.
Wir bauen unser Nest und kehren für Abendbrot und Schlummertrunk in die Kutscherschenke ein und treffen zwei herzliche Gastgeber und einen redseligen seniorigen Globetrotter. Es werden Räuberpistolen und Ratschläge ausgetauscht und einige wenige Biere getrunken.
Tag 11 von Klietz nach Brandenburg
Heute wird ein harter Tag. Ein richtig harter Tag. 65 km sind geplant und sie werden aufgestockt, da uns eindringlich geraten wird Tangermünde zu besuchen. Dadurch kommen 6 km auf dem Weg hin zur Stadt und mindestens weitere 6 km für den Weg zurück hinzu. Lasst mich vorgreifen und sagen, wir reissen heute die 80 km. Aber wir werden belohnt.
Beim Frühstück gehen die Räuberpistolen und Ratschläge weiter. Welche Hose hilft am meisten, und was trägt man drunter und was nimmt man für Salben. Der Senior nimmt eine Fettcreme – man merkt er ist geübt aber Amateur, denn Sonnencreme ist das Beste, da sie nicht verflüssigt… keine Sorge wir nutzen keine Creme, zumindest noch nicht.
Es geht ans Zahlen, der verwöhnte Großstädter will auch hier die Karte zücken, kann ja nicht viel sein, da das Zimmer selbst online gezahlt wurde und das bisschen Essen und Trinken kann ja nicht viel sein. Karte geht natürlich nicht und die 45 Euro überraschen uns erst einmal, dann tritt die Panik ein. Wir beginnen sämtliche Bargeldreserven zusammen zu kratzen – wir schaffen die Summe gerade so, sind erleichtert, haben aber kein Geld mehr für die Fähre.
Wir müssen also abermals umplanen und als arme bargeldlose Schlucker die nächstgelegene Brücke anfahren, in Tangermünde gibts dann eine Bank und wir können als reiche Radfahrer die Fähre zurück nehmen.
Tangermünde ist eine bezaubernde Stadt. Viele alte Gebäude, ein Schloss tolle Türme und beschauliche Gassen. Bei unserer Ankunft unter der Woche ist die Stadt recht wenig bevölkert, gut für uns.
Nach einiger Zeit verlassen wir die Stadt, denn es liegen noch mindestens 55 km vor uns. Ich leide schon seit einigen Tagen unter dem was der Radsportler Druckschmerz nennt. Heute fängt es auch für Karo an. Heute ist der Tag an dem ich auf dem Rad leide und versuche mich mit einer Art Meditation vom Schmerz abzulenken. Gut dass es um uns herum schön ist…
Bevor wir über die Elbe übersetzen müssen wir auf das Ende der Miitagspause der Fährmeister warten. Es dauert nicht übermässig lange, aber lange genug um einen kurzen Schnack mit den rüstigen Rentnerinnen im alten roten Benz hinter uns zu haben. Der Blick von der Fähre ist toll und leider viel zu schnell vorbei. Die Autos fahren runter, dann können wir. Eines der Auto sehen wir schneller wieder als der Fahrerin lieb sein wird.
An der ersten Kreuzung sieht man rechts Bagger und Schutt und einen roten Benz, daneben ein Frau laut sprechend: “nein Maibaum, wie der Monat und der Baum. Ja och brauche ihre Hilfe. Ich bin in einer Baustelle.” Wir kommen näher und sehen was los ist. Ihre Hinterachse schwebt über einen frisch gegrabenen Graben und der Mittelteil liegt auf. Ihre Fahrt ist für heute vorbei, unsere fängt gerade erst an.
Die heutige Route ist nicht nur von der Länge her herausfordert, es ist streckenweise auch der Weg. In der Bildergalerie zeigt euch das letzte Bild eine Straße und rechts daneben einen schmalen Pfad… das ist nicht der Weg der Hunde oder Kaninchen oder ein Wanderweg. Nein, dass ist der Radweg. Zugegeben er ist unkomfortable, schmal und manchmal kaum zu sehen, aber immernoch besser als die 12 km auf einer Brandenburger Allee, auf der 100 km/h erlaubt sind und kein Sicherheitsstreifen vorhanden ist. Manchmal hat man die Wahl zwische Pest und Cholera und manchmal ist es das Paradies auf Erden. Ähnlich wie beim Wetter, machste nix.
Die letzten Kilometer schleichen nur so runter, es nimmt kein Ende. Hier noch ne Brücke, da ne schwachsinnige Falle für Radfahrer und hier mal wieder ne Umleitung für Radfahrer. Umleitung für Radfahrer heisst entweder, dass man mal wieder die Straßenseite wechseln muss. Natürlich über eine mehrspurige vielbefahrene und schlimmstenfalls Bundesstraße, ohne Ampel oder Überquerungshilfe. Und wenn die Verkehrsplaner richtig gut drauf sind, machen sie dass alle paar Kilometer mit einem. Manchmal auch öfter. Oder Umleitung heisst, dass der Radweg auf den man dich gerade noch geschickt hat aus heiterem Himmel endet und du in die Walachei, ins Unterholz oder in den fliessenden Autoverkehr rückgeführt wirst. Egal wie es gelöst wird, nie im Sinne des Radfahrers oder so, dass es für ihn sicherer würde. Darin scheinen sich die Verkehrsplaner einig zu sein. Vielleicht haben sie auch alle beim gleichen Dozenten gelernt.
Naja wir kommen jedenfalls an. Völlig ramponiert. Wackelig auf den Beinen und sehr erschöpft. Duschen, essen suchen, futtern, bloggen, letzte Kraft wegspazieren, ab ins Bett.